Migrantische Selbstorganisationen sind wichtige Akteure im Integrationsprozess. Sie unterstützen Zuwanderer*innen bei der Orientierung im neuen Lebensumfeld, bewahren die Kultur und Sprache der Herkunftsländer, organisieren Sprachhilfe, Hausaufgabenhilfe und soziale Veranstaltungen und machen die Situation von Migrant*innen sichtbar. Zudem fördern sie mit kulturellen und sozialen Beiträgen einen interkulturellen Dialog und ein gegenseitiges Verständnis für ein friedliches Zusammenleben vor Ort.
Die aktuelle Krise stellt auch die Vereinsarbeit vor Herausforderungen. Zurzeit ist das Problem, dass Mitgliederversammlungen und/oder Sitzungen des Vorstandes nicht mehr physisch abgehalten werden können. Im Vereinsrecht ist die persönliche Anwesenheit der Mitglieder oder Vorstände bei Versammlungen vorgesehen. Die Fassung von Beschlüssen außerhalb der Mitgliederversammlung ist nicht möglich. Die meisten Satzungen haben für solche Fälle keine konkreten Regelungen. Deshalb ist es schwierig, wichtige Entscheidungen (zum Beispiel: Wahl der Vorstandsmitglieder) zu treffen. Die Durchführung einer virtuellen Versammlung bedarf der Zustimmung aller Vereinsmitglieder oder aller Vorstandsmitglieder bei einer Vorstandsitzung. Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 569) möchte dem entgegenwirken. Die Maßnahmen sollen rückwirkend zum 1. März in Kraft treten und bis zum 31. Dezember 2021 gelten:
Virtuelle Mitgliederversammlung
Die Durchführung einer „virtuellen Mitgliederversammlung“ auf dem Weg elektronischer Kommunikation, also ohne physische Anwesenheit der Vereinsmitglieder am Versammlungsort, ist auch ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Vereinssatzung möglich. Die Mitglieder müssen allerdings die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme haben und frühzeitig entsprechende Informationen zur konkreten Vorgehensweise erhalten. Sieht die Satzung oder Wahlordnung eine geheime Wahl vor, müsste über technische Vorrichtungen gewährleistet werden, dass die konkrete Stimmabgabe anonym übermittelt wird. In vielen Fällen ist eine digitale Mitgliederversammlung nicht möglich. Nicht jedes Mitglied ist mit einem Computer, den technischen Fähigkeiten und/oder einem stabilen Internetzugang ausgestattet.
Erleichterung bei der Beschlussfassung in den Gremien
Eine schriftliche Stimmabgabe vor Beginn der Mitgliederversammlung von Vereinen ist möglich. Die persönliche Teilnahme an der Mitgliederversammlung ist in diesem Falle nicht erforderlich. Eine „gemischte Beschlussfassung“, bei der ein Teil der Mitglieder zur Beschlussfassung eine virtuelle oder physische Versammlung durchführt und ein Teil der Mitglieder bereits vor der Versammlung seine Stimme schriftlich abgibt, ist erlaubt.
Beschlüsse können durch Vereinsmitglieder auch ohne Satzungsermächtigung im Umlaufverfahren (Beschlussfassung außerhalb der Mitgliederversammlung) gefasst werden. Hierbei müssen alle Vereinsmitglieder beteiligt werden und bis zu dem vom Verein gesetzten Termin muss mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst werden. Die Stimmabgabe im Umlaufverfahren kann auch in Textform im Sinne des § 126b BGB erfolgen, etwa durch E-Mail oder Telefax; eine schriftliche Stimmabgabe nach § 126 BGB, d.h. eine eigenhändig unterschriebene Erklärung, ist nicht mehr notwendig.
Amtszeiten von Vorstandsmitgliedern
Die Vorstandsmitglieder von Vereinen und Stiftungen, deren Amtszeit im Jahr 2020 endet, bleiben so lange im Amt, bis ihre Amtsnachfolger gewählt sind. Eine entsprechende Regelung hierzu ist in der Satzung nicht erforderlich. Der Verein hat weiterhin das Recht, Vorstandsmitglieder abzuberufen. Das einzelne Vorstandsmitglied hat auch weiterhin das Recht, sein Amt niederzulegen.
Steuerliche Erleichterung für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
Wenn eine gemeinnützige Einrichtung einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hat, dann ist eine Herabsetzung von Steuervorauszahlungen und die Stundung von Steuerpflichten möglich.
Verpflichtung aus Projekt- und Förderzusagen
In diesem Fall kann geprüft werden, ob bevorstehende Projekte aufgeschoben oder sogar abgesagt werden können. Hierfür könnten Finanzierungsengpässe, fehlende Einnahmen aus der Vermögensverwaltung oder dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausschlaggebend sein. Es ist zu beachten, ob eine rechtliche Verpflichtung besteht, Projekte durchzuführen.
Das Gesetz im Wortlaut:
Artikel 2
§ 5 Vereine und Stiftungen
(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,
1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.
(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
§ 7 Übergangsregelungen
(5) § 5 ist nur auf im Jahr 2020 ablaufende Bestellungen von Vereins- oder Stiftungsvorständen und im Jahr 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen von Vereinen anzuwenden.
Artikel 6
(2) Artikel 2 tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2021 außer Kraft.
Weitere Informationen können Sie sich im Einzelfall auch bei der zuständigen Behörde vor Ort (Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration) oder beim Bundesverband deutscher Vereine & Verbände e.V. einholen. Allgemeine Informationen erhalten Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.